Der EU-Ministerrat hat nach den Anschlägen in Wien innerhalb kürzester Zeit eine Entschließung gebilligt, die einen jederzeitigen Zugang für Behörden zu verschlüsselter Kommunikation fordert. Das bedeutet, dass alle digitalen Dienste, zum Beispiel Internetseiten oder Messenger, einen Generalschlüssel vorhalten müssen. Dieser kann jede private Nachricht entschlüsseln. Die aktuelle Resolution markiert den Beginn eines europaweiten Gesetzgebungsverfahrens, an dessen Ende möglicherweise eine europaweite Einschränkung von Privatsphäre steht.
Verschlüsselung ist essentiell, um die Vertraulichkeit deiner persönlichen Nachrichten und Dateien sicher zu stellen. Schließlich soll nicht jede·r den Chat mit deinen Verwandten oder die süßen Katzenbilder von dir sehen. Auch nicht der Staat oder deine Krankenkasse, du allein solltest entscheiden, wer deine Daten bekommt.
Schwächt man nun Verschlüsselung durch den Einbau einer Hintertür, verliert sie ihren Sinn - den Schutz der Vertraulichkeit deiner Nachrichten. Bewusst eingebaute Schwächen senken außerdem das allgemeine Sicherheitsnivau, da sie auch von bösartigen Akteuren missbraucht werden können und ein hervorragendes Angriffsziel für Geheimdienste oder Kriminelle darstellen, da man durch sie Zugang zu sämtlicher verschlüsselter Kommunikation erhält.
Die Behauptung, dass entschlüsselbare Kommunikation Terroristen großflächig überführt, ist grundsätzlich falsch. Diese steigen einfach auf private oder ausländische Dienste um, welche keine Hintertüren besitzen. Dieser Mehraufwand wird dagegen die Allgemeinheit von sicherer Kommunikation fernhalten. Im Kern trifft das Gesetz also nur die Privatsphäre von wenig technikversierten Menschen, deren Nachrichten und Dateien nicht mehr ausreichend geschützt sind.
Der Enwurf wurde inzwischen formal fertig verhandelt, und wurde am 14. Dezember in der Ratssitzung der Justiz- und Innenminister beschlossen. Dadurch wird die Europäische Kommission beauftragt, die Resolution in EU-Recht umzusetzen. Danach kann das EU-Parlament zustimmen oder ablehnen.
06.11.2020 Der Resolutionsentwurf entsteht
08.11.2020 Der geheime Resolutionsentwurf wird durch den ORF veröffentlicht
12.11.2020 Deadline für die Regierungen um Kommentare zum Entwurf abzugeben
19.11.2020 Diskussion & Geplanter Beschluss des Entwurfs in der zuständigen Arbeitsgruppe
25.11.2020 Beschluss im Rat der ständigen Vertreter
14.12.2020 Beschluss des Ministerrates
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Der EU-Ministerrat hat einen raschen Vorstoß unternommen, in dem er Zugriff auf jegliche Kommunikation, auch verschlüsselte, zur besseren Aufklärung von Straftaten fordert. Konkret bedeutet dies, dass beim Einsatz von Verschlüsselungstechnologie, wie sie etwa WhatsApp und Signal anbieten, Generalschlüssel bereitgehalten werden müssen, mit denen jegliche Kommunikation der Nutzenden entschlüsselt werden kann.
Die Privatsphäre der Bevölkerung soll zur angeblichen Terrorbekämpfung geopfert werden, dabei sind die Anschläge der Vergangenheit durch Fehler in der Polizeiarbeit erst möglich geworden. Verschlüsselung ist eine elementare Technologie im Internet, denn sie ermöglicht es, Daten vor dem unbefugten Zugriff zu schützen, sei es durch Geheimdienste, Mitbewerber·innen oder Kriminielle. Im Fall von Reporter·innen, Menschenrechtsaktivist·innen oder Whistleblowern kann deren Arbeit oder Leben von Verschlüsselung abhängen. Das Einführen von Generalschlüsseln stellt ein enormes Sicherheitsrisiko dar, da diese von allen verwendet werden können, die Zugriff auf sie haben. Eine derart geschwächte Verschlüsselung wäre damit de facto wertlos. Ein Verbot sicherer Verschlüsselung ließe sich außerdem von versierten Akteur·innen umgehen, indem vorhandene, sichere Verschlüsselungstechnik auf privaten Diensten genutzt wird.
Wir fordern daher einen sofortigen Stopp der Verhandlungen auf europäischer Ebene. Vorhandene Befugnisse die das Umgehen von Verschlüsselungen ermöglichen, wie etwa Staatstrojaner, müssen EU-weit untersagt werden. Weiter fordern wir eine europäische Initiative für ein Grundrecht auf Verschlüsselung.
Wenn ihr das Statement unterschreiben wollt, meldet euch unter kontakt@privacyisnotacrime.eu – gerne mit Namen, Webseite und Logo.
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Digitalcourage
Digitalcourage haben in einem kurzer Artikel die aktuelle Lage eingeordnet und eine Liste mit weiteren Statements und Initiativen zusammen getragen.
Artikel -- Error: Regierungen planen Angriff auf Verschlüsselung
Chaos Computer Club Deutschland
Der Chaos Computer Club Deutschland hat in einem ausführlichen Artikel die Wichtigkeit von unversehrter verschlüsselter Kommunikation für unsere Gesellschaft herausgearbeitet. Zudem werden die aktuellen Geschehnisse in die Reihe bisheriger Angriffe auf unsere Verschlüsselung eingeordnet.
Artikel -- Nächste Schlacht in den CryptoWars: EU-Ministerrat plant Anschlag auf Verschlüsselung
Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. setzt sich in einer Pressemitteilung mit den aktuellen Geschehnissen zur Aushebelung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auseinander. In ihrer Argumentation erklären sie, dass das Vorhaben des EU-Ministerrats sichere Verschlüsselung zu haben UND Hintertüren in diese einzubauen schlicht unmöglich ist. Außerdem sehen sie das die Freiheitsrechte aller gefährdet, im Austausch für die Überwachung weniger, die meist überhaupt keinen Zugriff auf Verschlüsselung bedarf.
Pressemitteilung -- Aushebelung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung trifft die Falschen und leistet der IT-Sicherheit einen Bärendienst
Tutanota
Tutanota ist Anbieter eines verschlüsselten Email-Dienstes, der für Privatsphäre und Meinungsfreiheit im Internet eintritt. Er wäre direkt von einem Gesetz betroffen, dass Diensteanbieter zum Einbau von Hintertüren in verschlüsselter Kommunikation verpflichtet. In ihrem Artikel erklären sie, warum das ein großes Risiko ist.
Artikel -- Warum eine Verschlüsselungs-Hintertür die Sicherheit im Internet zerstören würde.
Privacy Handbuch
Das Privacy Handbuch beschäfftigt sich seit Langem mit Privatsphäre und Datenschutz und wie Anwender beide Dinge bestmöglich erreichen können. Neben vielen Artikeln und Anleitungen veröffentlicht der Autor unregelmäßig Kommentar zu aktuellen Vorgängen (ohne Anspruch auf Objektivität oder Neutralität) -- so auch in "Gedanken zum Crypto War 3.0".
Kommentar -- Gedanken zum Crypto War 3.0
CopWatch Leipzig Der Blog von CopWatch ordnet die repressiven Auswirkungen der Entschließung auf die Gesellschaft ein.
Wir sind ein überregionaler Zusammenschluss von digitalpolitischen Aktivist·innen¹, der auf die Absichten des EU-Ministerrats, Verschlüsselung zu schwächen, aufmerksam macht. Außerdem ermutigen wir Bürger·innen dazu, diesen ebenfalls entschlossen entgegen zu treten und fordern sichere Verschlüsselung als Basis für Privatsphäre und eine starke Demokratie.
Anlass dazu war der Resolutionsentwurf mit dem paradoxen Titel "Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung" vom 06.11.2020.
Unser ausführliches Statement hast du bestimmt hier schon gelesen.
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